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Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Steuerschulden in der Insolvenz der Gesellschaft. Nicht nur gegen den Haftungsbescheid vorgehen, sondern gegen die zugrunde liegende Forderung.

Wenn eine GmbH Ihre Steuerschulden nicht bezahlt, kann die Finanzverwaltung einen Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer erlassen und ihn zur Zahlung der Steuerschulden heranziehen. Denn nach § 69 AO haften Geschäftsführer für diese Steuerschulden, soweit ihnen diesbezüglcih Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

In dieser Situation wird regelmäßig vorgetragen, dass der Geschäftsführung keine schuldhafte Pflichtverletzung vorwerfbar ist. Vorrangig muss natürlich geprüft und gegebenenfalls dargelegt werden, dass die Steuerschulden der Gesellschaft in der entsrepchenden Höhe überhaupt nicht bestehen.

Genau dies ist aber in der Insolvenz der GmbH schwierig, weil das Finanzamt seine Steuerforderungen beim Insolvenzverwalter der GmbH zur Insolvenztabelle anmeldet und nicht direkt beim Geschäftsführer. Der Insolvenzverwalter prüft die Forderung und wird sie möglicherweise feststellen müssen, weil ihm eine detaillierte Prüfung möglicherweise aufgrund von Gründen, die im konkreten Insolvenzverfahren liegen, nicht möglich ist.

Eintrag in Insolvenztabelle wirkt wie ein Urteil!

Wenn die Forderung aber zur Insolvenztabelle festgestellt wird, wirkt diese Feststellung wie ein Urteil, § 178 III InsO. Damit ist dem Geschäftsführer der Einwand abgeschnitten, dass die Steuerschuld der Gesellschaft, für welche er persönlich haften soll, gar nicht besteht.

Um diesen Einwand zu erhalten muss der Geschäftsführer der Forderung im Prüfungstermin widersprechen. Tut er das nicht, ist er mit Einwendungen gegen die Höhe der Steuerforderung ausgeschlossen, wenn er der Forderungsanmeldung hätte widersprechen können, dies aber nicht getan hat, § 166 AO.

Urteil des BFH, vom 17.09.2019, VIII R 5/18

Der Problematik sei anhand eines Urteils des BFH, vom 17.09.2019, VIII R 5/18 erläutert. Hiernach kann ein Tabelleneintrag im Insolvenzverfahren gem. § 178 III InsO auch im Haftungsverfahren Bindungswirkung entfalten. Die Eintragung in die Insolvenztabelle ersetzt im Insolvenzverfahren den Steuerbescheid und wirkt unter anderem gegenüber allen Insolvenzgläubigern gem. § 178 III InsO wie ein rechtskräftiges Urteil.

Der Fall

Zum Sachverhalt: Die schuldnerische GmbH meldete in der Unternehmenskrise Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer und leistete die hierauf fälligen Zahlungen nicht. Nach Insolvenzeröffnung erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid und forderte von dem Kläger nach §§ 191 I AO i.V.m. §§ 69, 34 I AO, § 35 GmbHG die bestehenden Steuerschulden. Auch gegen einen weiteren Geschäftsführer erging ein entsprechender Haftungsbescheid. Gegen den Haftungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein. Während des laufenden Einspruchsverfahrens meldete das Finanzamt die Steuerforderung im Insolvenzverfahren der Schuldnerin zur Insolvenztabelle an. Die Forderung wurde widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt. Nachdem der Einspruch zurückgewiesen wurde, reichte der Kläger Klage ein. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Gegen das Urteil legte der Kläger Revision ein. Der BFH wies die Revision zurück. Dem lagen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Entscheidung des BFH, Urteil vom 17.09.2019, VIII R 5/18

Der Anspruch des Finanzamts gegen den Geschäftsführer ergibt sich aus §§ 69 S. 1 AO, § 34 I S. 1 AO i.V.m. § 35 I S. 1 GmbHG. Danach haftet ein Geschäftsführer unter anderem dann persönlich für die Steuerschulden der GmbH, wenn Steuerverbindlichkeiten infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder nicht erfüllt werden.

Ein Steuerschaden sei dadurch entstanden, dass festgesetzte Steuern und Abgaben nicht gezahlt worden seien und zwar unabhängig davon, ob die festgesetzte Höhe zutreffend ist.

Zugleich wird ein Verschulden der Geschäftsführung indiziert. Die Steuerverbindlichkeiten seien seitens der GmbH trotz einer Pflicht nicht bezahlt worden. Hierin liegt ein Pflichtenverstoß, der eine Haftung nach § 42d I Nr. 1 EStG nach sich zieht. Hierfür hafte der Kläger als Geschäftsführer nach § 69 AO.

Vortrag zur Ressortaufteilung nicht ausreichend

Der Kläger wurde mit seinem Vorbringen, dass er aufgrund einer entsprechenden Ressortaufteilung/Geschäftsverteilung nicht für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten verantwortlich gewesen sei, nicht gehört, weil im konkreten Fall diese Ressortaufteilung nicht schriftlich festgelegt worden ist und nicht eindeutig war.

Ressortaufteilung endet mit Kenntnis von der Krise

Auch seien ihm die Zahlungsschwierigkeiten der Schuldnerin jedenfalls durch die Nichtzahlung des Geschäftsführergehalts an sich selbst bekannt gewesen und dieser Umstand hätte ihn selbst dann an die Pflichterfüllung durch seinen Mitgeschäftsführer zweifeln lassen müssen, wenn es tatsächlich eine ausreichende schriftliche Niederlegung über die Geschäftsverteilung gegeben hätte. Jedenfalls dann, wenn eine Insolvenzlage sich abzeichnet, sei jeder Geschäftsführer verpflichtet, sich der steuerlichen Verpflichtung anzunehmen.

Feststellung zur Insolvenztabelle ersetzt Steuerbescheid und wirkt wie ein rechtskräftiges Urteil

Der Kläger könne die Höhe der offenen Steuerverbindlichkeiten nicht mehr erfolgreich angreifen. Die Parteien seien nach § 178 III InsO an die Feststellungen zur Insolvenztabelle gebunden. Die Eintragung in die Insolvenztabelle ersetze den andernfalls notwendigen Steuerbescheid, da sie nach § 178 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil wirke. Nur dann, wenn Änderungsnormen eingreifen würden, könnten Anpassungen vorgenommen werden.

Es würde Sinn und Zweck eines Insolvenzverfahrens widersprechen, wenn nach Abschluss des Verfahrens noch einmal die im Insolvenzverfahren behandelten Forderungen bestritten werden könnten. Das Insolvenzverfahren und insbesondere der Prüfungstermin sei dafür gedacht, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herzustellen und Verfahrensökonomie zu gewährleisten. Eine Begrenzung dieser Wirkungen auf das Insolvenzverfahren tritt nicht ein.

Geschäftsführer sollten Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung des Finanzamtes erheben.

Der Kläger habe gegen die Anmeldungen des Finanzamtes keinen Widerspruch eingelegt, so dass er nun hieran gebunden sei. Soweit der Kläger einwendet, das Finanzamt habe ihn auf die Widerspruchsmöglichkeit hinweisen müssen, da er einen entsprechenden Hinweis durch den Insolvenzverwaltern nicht erhalten habe, geht diese Ansicht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs fehl. Vielmehr habe sich der Kläger selbst über die Folgen einer Feststellung unterrichten müssen und hätte Einwendungen spätestens im Prüfungstermin vorbringen müssen.

Christian Hausherr

Christian Hausherr

Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Betriebswirt (IWW), Wirtschaftsmediator,
Zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsberater (RWS)

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