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Insolvenzanfechtung: Gleichstellung einer mehr als drei Monate gestundeten Forderung mit Gesellschafterdarlehen

Der Gesellschafter einer GmbH ist auch bei Austauschverhältnissen (beispielsweise einem Mietvertrag), dem Risiko der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit nach § 135 InsO (Gesellschafterdarlehen) ausgesetzt. Wird eine Forderung aus einem Leistungsverhältnis mehr als drei Monate gestundet, ist sie anfechtungsrechtliche einem Gesellschafterdarelehen gleichzustellen. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11. Juli 2019 – IX ZR 210/18 entschieden.

Zum Fall: Die spätere Isolvenzschuldnerin zahlte an den Gesellschafter im Juli 2009 rund 31.000 € zur Vergütung Ende 2008 erbrachter vertraglicher Dienstleistungen. Der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am 30.12.2009 gestellt.

Der BGH hielt § 135 I Ziffer 2 InsO für einschlägig. Anfechtbar ist hiernach eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung … Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.

Die Anfechtung nach § 135 InsO setzt im Gegensatz zu anderen Anfechtungstatbeständen praktisch nichts weiter voraus, als dass es sich um eine Zahlung auf ein Gesellschafterdarlehen oder eine gleichgestellte Forderung handelt.  So scheiterte im entschiedenen Fall die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO an den nicht ausreichenden Darlegungen zum Benachteiligungsvorsatz. Die Anfechtung nach § 135 InsO griff hingegen durch.

Häufig bestehen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft Leistungsverhältnisse wie beispielsweise Mietverträge über Fahrzeuge, Maschinen oder Immobilien. In der Krise werden dann Liquiditätsschwierigkeiten häufig über diese Leistungsverhältnisse überbrückt, indem beispielsweise die Miete aus dem Leistungsverhältnis über einen gewissen Zeitraum nicht bezahlt wird, damit die sonstigen Verbindlichkeiten bedient werden können.

Im entschiedenen Fall (BGH, Urt. v. 11.07.2019 (IX ZR 210/18)) hatte der Gesellschafter die Forderung vor der Begleichung über sechs Monate stehen lassen, weshalb sie als darlehensgleich zu qualifizieren war und die Rückzahlung insolvenzrechtlich nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar war.

Wird die aus einem üblichen Austauschgeschäft herrührende Forderung eines Gesellschafters über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten rechtsgeschäftlich oder faktisch zugunsten seiner Gesellschaft gestundet, handelt es sich grundätzlich um eine darlehensgleiche Forderung (BGH, Urt. v. 11. Juli 2019 – IX ZR 210/18)

Der BGH hat entschieden, dass eine mehr als drei Monate gestundete Forderung eines Gesellschafters aus einem Austauschgeschäft einem Darlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gleichzustellen ist. Der BGH ist der Ansicht, dass die rechtliche oder faktische Stundung einer Forderung bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Darlehen entspricht, bei dem eine ursprünglich auf einem anderen Rechtsgrund beruhende Forderung künftig als Darlehen geschuldet wird.

Die Gesellschaft kann dieses Darlehen nutzen und darauf verzichten, sich anderweitig Kreditmittel zu beschaffen. Daher macht es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keinen Unterschied, ob der Gesellschafter einen bestimmten Betrag vereinbarungsgemäß als Darlehen zur Verfügung stellt oder infolge einer rechtlichen oder tatsächlichen Stundung einer Forderung aus einem Leistungsverhältnis von der Beitreibung einer fälligen Forderung absieht. Wenn damit die Stundung wirtschaftlich wie eine Darlehensgewährung zu sehen ist, muss sie auch anfechtungsrechtlich so behandelt werden.

Nach dem BGH scheidet eine Umqualifizierung zum Darlehen aus, wenn die Leistung bargeschäftsähnlich abgewickelt wird. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn Leistung und Gegenleistung innerhalb von maximal 30 Tagen abgewickelt werden.

Geht die Stundung über den Zeitraum hinaus, ist diese aber nicht zwangsläufig als Darlehen zu qualifizieren. Vielmehr ist nach dem Bundesgerichtshof darauf abzustellen, ob eine rechtliche oder faktische Stundung den zeitlichen Bereich im Geschäftsleben gebräuchlicher Stundungsvereinbarungen eindeutig überschreite.

Bei der rechtlichen Bewertung, ob ein verkehrsüblicher Zeitraum deutlich überschritten wird, ist zu berücksichtigen, dass nach dem gesetzlichen Leitbild des § 271a Abs. 1 BGB eine Vereinbarung, nach der der Gläubiger die Erfüllung einer Entgeltforderung erst nach mehr als 60 Tagen nach Ermpfang der Gegenleistung verlangen kann, nur wirksam ist, wenn sie ausdrücklich getroffen und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist.

Allerdings erfordere die Umqualifizierung einer sonstigen Forderung in eine Darlehensforderung, dass der im Verkehr mit Dritten übliche Zeitraum einer Fälligkeitsvereinbarung oder Stundung zweifelsfrei überschritten wird. Nach Ablauf der 60-Tage-Frist stehe noch nicht zweifelsfrei fest, dass statt der Austauschbeziehung die Finanzierungsfunktion in den Vordergrund trete.

Eine Darlehensgewährung sei erst dann anzunehmen, wenn der Gesellschaft zur Tilung einer Gesellschafterforderung vereinbarungsgemäß mit Hilfe einer die Fälligkeit nicht berührenden und daher durch § 271a BGB nicht verwehrten rechtlichen oder faktischen Stundung über ein noch zulässiges Zahlungsziel hinaus ein zusätzlicher Zahlungszeitraum eröffnet wid und sich daraus in einer Gesamtschaud der Schluss auf eine Kreidtgewährung unwzeifelhaft aufdrängt.

Das sei anzunehmen, wenn eine fällig Forderung von dem Geselslchafter länger als drei Monate rechtsgeschäftlich gestundet oder tatsächlich stehen gelassen wird. Bei Darlehensverträgen unbestimmter Dauer besteht nach § 488 III S. 2 BGB eine ordentliche Kündigungsfrist von drei Monaten. Da die Gesellschaft nach einer dreimonatigen Stundung ebenso stehe, wie wenn ihr ein Darlehen mit ordentlicher Kündigungfrist gewährt worden wäre, erhalte eine entsprechende Forderung aus einer Leistungsbeziehung nach Verstreichen der 3-Monatsfrist typischerweise Darlehnscharakter. Durch die längere Stundung gebe der Gläubiger in der Regel zu erkennen, der Gesellschaft eine darlehensgleiche Forderung zu belassen.

RA Christian Hausherr